Zu „textlastig“?

Die Ergebnisse der jüngsten Mathematik-Maturaarbeiten entsprachen in weiten Bereichen nicht den Erwartungen der Eltern. Die Professoren waren ebenfalls entsetzt. Ein „Nicht genügend“ aus dem vermeintlich blauen Himmel nach bisher komplikationslos überstandenen 8 Jahren Gymnasium ist natürlich ein harter Schlag.

Bei der Suche nach den Ursachen einigten Eltern und etliche Schulleute sich überraschend schnell auf: „Die Aufgaben waren zu textlastig!“ Schüler beklagten, dass sie die Aufgaben nicht verstanden hätten, sie hätten nicht gewusst, was von ihnen erwartet würde. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, die Aufgabenstellungen waren in deutscher Sprache verfasst.

Die angedachten Lösungen, auch von einzelnen Schuldirektoren in ORF-Nachrichtensendungen ventiliert, die Aufgabenstellungen weniger textlastig zu gestalten, klingt in diesen Tagen schon sehr verwegen. Schließlich sollte mit dem Maturazeugnis zum Abschluss der Schulzeit nicht die einigermaßen regelmäßige Anwesenheit in der Schule über die Jahre hinweg, sondern die erlangte Reife bestätigt werden. Reif wozu, wenn es akzeptabel sein soll, dass gestellte Aufgaben nicht verstanden werden?

Es scheint in unserem Schulsystem einiges falsch zu laufen. Die Vorstellung, der Deutschprofessor hätte sich um die Literatur zu kümmern, und der Mathematiker wäre für die Grundrechnungsarten, Infinitesimalrechnungen etc. und natürlich auch die Geometrie zuständig, und es gebe keine Überschneidungen, ist leider noch immer anzutreffen. Sollte es zu keiner Änderung kommen, werden auch in Zukunft Absolventinnen und Absolventen unserer höheren Schulen am Ende zwar mit einem Zeugnis dastehen, aber für das Leben wenig gerüstet sein.

Bemerkenswert ist außerdem, wenn von „Bildungsbürgern“ ein mangelndes deutsches Textverständnis bei künftigen Maturanten als akzeptabel betrachtet wird, für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache von Regierungsseite aber gleich eine Bestrafung der Eltern mit einer Reduktion der Mindestsicherung um €300 eingeführt werden soll. Als ob das die Lösung des Problems wäre.

Wie immer zum Ferienbeginn ein Buchvorschlag, nicht nur für den Urlaub: Stephan Schulmeister: „Der Weg zur Prosperität“, 478 Seiten, €28,- in jeder guten Buchhandlung, natürlich auch im Wohnpark Alt-Erlaa. Zugegeben, auch das ist „textlastig“. Aber irgendwann sollte man sich mit einem der bedeutendsten österreichischen Ökonomen der Gegenwart auseinandersetzen.

[ Vorabdruck aus der WAZ – Wohnpark Alterlaa Zeitung, Ausgabe Juni/Juli 2018 ]

 



Kategorien:Österreich, Politik, WAZ

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