-30% reduziert?

Eine der immer wieder vorgebrachten Standardforderungen besorgter MitbürgerInnen an Flüchtlinge lautet: „die sollen erst einmal Deutsch lernen“. Unbestritten, die Kenntnis einer Landessprache ist nicht nur sehr hilfreich im tagtäglichen Leben sondern trägt auch zu einem besseren gegenseitigen Verständnis bei.
Empfehlenswert ist allerdings, dass man nicht nur Worte auswendig lernt sondern sich auch mit deren realer Bedeutung vertraut macht. Das ist allerdings auch bei Einheimischen nicht immer der Fall. Allseits beliebt, man will ja zeigen wie gebildet man/frau ist, ist die häufige Verwendung von Fremd- bzw. Lehnworten.
Peinlich allerdings, wenn mangelndes Wissen auch noch dokumentiert wird. Ein aktuelles Beispiel: seit Wochen kann man im Kaufpark „-30% reduziert“ in einer Auslage lesen. Man fragt sich schon, ob der/die VerfasserIn die Bedeutung des Wortes „reduziert“ kennt? Herabsetzen, einschränken, verkleinern oder mindern sind einige Bedeutungen im allgemeinen Sprachgebrauch – KochkünstlerInnen kennen noch mehrere. Eine negative (-30%) Herabsetzung, Verkleinerung oder Minderung bedeutet also das Gegenteil, das heißt eine gewaltige Preiserhöhung. Und das wollte man sicherlich nicht ausdrücken, außer aus geschäftsschädigendem Vorsatz – was nicht unterstellt werden soll.
Mangelndes sinnerfassendes Schreiben oder Lesen ist also nicht nur bei immer mehr Pflichtschulabsolventen anzutreffen, wie AusbilderInnen immer wieder glaubhaft versichern. Es wäre also höchste Zeit, sich einmal mehr um die Bildung, besonders auch der Einheimischen, zu kümmern. Eine grundlegende Reform ist nötig, mit kleinen kosmetischen Reförmchen wird man nicht weiterkommen.
Es ist dabei ernstlich zu überlegen, ob eine 8+1-jährige Pflichtschule im 21. Jahrhundert wirklich noch ausreicht, um der nächsten Generation auch nur den Ansatz einer Chance auf ein erfolgreiches und erfülltes Leben zu geben. Dabei sollte man sich nicht nur an den Erfordernissen für eine erfolgreiche berufliche Entwicklung orientieren. Die Welt in der wir leben zu verstehen, in Zusammenhängen denken zu lernen, ist zumindest ebenso wichtig. Junge Menschen nur auf den nächsten Test vorzubereiten, um nicht zu sagen zu dressieren, kann nicht der Weg sein. Statistische Erfolgsmeldungen helfen uns in keiner (ich ersuche um Verständnis, dass hier nicht „keinster“ steht, wie es leider in vielen Medien verwendet wird – kein ist nicht steigerbar!) Weise weiter.


Kategorien:WAZ

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