Planlos?

Klagen über eine weiterverbreitete öffentliche Planlosigkeit in unserer Stadt sind eher in Gaststuben zu weit fortgeschrittener Stunde zu hören. Über deren Qualität kann man unterschiedlicher Meinung sein. Neuerdings stimmen sich allerdings auch Vertreter und Mandatare einer politischen Richtung ein, die sonst bei jeder Gelegenheit die magischen Regulierungskräfte des Marktes beschwören. Höchste Zeit sich die Entwicklung über die Jahrzehnte und die reale Situation in unserer Stadt einmal näher anzusehen.

Professionelle Planung wird in Wien bereits seit langem betrieben. Anfangs waren es vornehmlich Architekten. Musterbeispiel war Dr. Harry Glück vor über 50 Jahren mit seinem Konzept des Wohnparks Alt-Erlaa als eigenen Stadtteil. Maßgeblich verantwortlich für die weitere Entwicklung der Raumordnung und Raumplanung, und damit auch einer modernen und professionellen Stadtplanung war Prof. DI Dr. Rudolf Wurzer.

1954 habilitierte sich Wurzer für die Fachgebiete Städtebau und Landesplanung an der Technischen Hochschule Wien (heute Technische Universität Wien) und wurde 1959 zum Ordinarius für Städtebau, Raumplanung und Raumordnung an der Technischen Hochschule Wien ernannt. Im Folgejahr wurde er zum Vorsitzenden des „Fachbeirates für Stadtplanung“ der Stadt Wien berufen. Im Studienjahr 1963/1964 fungierte Rudolf Wurzer als Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur an der Technischen Hochschule Wien und für die Studienjahre 1968/1969 und 1969/1970 als Rektor der Institution; während dieser Zeit schuf er die Voraussetzungen für die Gründung der Studienrichtungen Raumordnung und Raumplanung, der wissenschaftlichen Basis für eine verbesserte professionelle Stadtplanung.

1976 wurde Rudolf Wurzer in Wien zum Amtsführenden Stadtrat für die Verwaltungsgruppe Stadtplanung gewählt. Zu den wichtigsten Maßnahmen, die während der politischen Funktionsperiode Rudolf Wurzers bis zum Mai 1983 realisiert werden konnten, zählen die Vorarbeiten für den ersten Stadtentwicklungsplan 1984 (STEP 1984), die Neugestaltung des Karlsplatzes, der Abschluss der Planung des Donaubereiches Wien und mit ihr die Verwirklichung des totalen Hochwasserschutzes in Form des Entlastungsgerinnes und der Donauinsel, der Beschluss des Verkehrskonzeptes für Wien im April 1980 und die Planung für das neue Konferenzzentrum.

Die Gründung der „Planungsgemeinschaft Ost“, die strukturell bedingte Zusammenarbeit der Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland, geht auf eine 1978 von Wurzer initiierte Ländervereinbarung zurück. Von 1981 bis Mai 1983 fungierte er als Vorsitzender des Raumordnungsausschusses des Österreichischen Städtebundes.

Stadtentwicklungspläne werden seither in Wien regelmäßig in Abständen von 10 Jahren von Fachleuten erstellt und letztlich im Gemeinderat mehrheitlich beschlossen, das letzte Mal heuer im April der STEP 2035. Die Weichen für das nächste Jahrzehnt sind damit gestellt.

Konkret: Die Stadt bekräftigt damit ihr Versprechen zu einer ressourcenschonenden Stadtentwicklung, zu bodensparender Bebauungsstruktur und zum Erhalt des hohen Grünraumanteils von über 50 %. Es werden keine neuen Stadtentwicklungsgebiete definiert, die bislang festgelegten insgesamt 37 Gebiete wie Rothneusiedl, Seestadt Aspern, Berresgassse, Oberes Hausfeld, Am Heidjöchl, Nordwestbahnhof usw. bieten ausreichend Platz für Wohn- und Lebensraum für die wachsende Stadt. Diesen Spagat, weiterhin leistbaren Wohnraum zu schaffen, ohne dabei neue Gebiete zu verbauen und zugleich den hohen Grünraumanteil zu gewährleisten, gelingt durch die jahrzehntelange vorausschauende Stadtentwicklungsplanung. Zusätzlich werden damit die Grundlagen für unterschiedliche, umweltfreundliche Mobilitätsangebote gewährleistet.

„Wien setzt ein starkes Zeichen für eine klimafitte und lebenswerte Stadt für alle Wiener*innen, insbesondere auch für die nächste Generation. Mit der vorausschauenden Strategie schaffen wir die Transformation zur klimafitten Stadt bei hoher Qualität. Mit dem Wien-Plan definieren wir Siedlungsgrenzen durch unantastbaren Grünraum, legen Öffi-Achsen und Radweg-Tangenten fest. Wir haben den Wien-Plan effizient und kompakt gestaltet. Er bildet eine verbindliche Grundlage für unser Handeln in den nächsten 10 Jahren“, so Planungsstadträtin Ulli Sima.

„Durch die laufende Anpassung in der Stadt meistern wir die großen Herausforderungen nachhaltig und konsequent. Das betrifft vor allem die Themen Klimawandel und Teuerung. Zusätzlich zu den kurz- und mittelfristigen Maßnahmen, die wir laufend setzen, definieren wir auch langfristige Schritte, um Stabilität zu garantieren. Mit diesem Plan rüsten wir uns für die großen Themen der Zeit und können der nächsten Generation auch ein Maß an Sicherheit und Lebensqualität mit auf den Weg geben.“, so Neos Klubchefin Selma Arapovic.

Über die Grenzen blickend können wir feststellen, dass in Wien doch eigentlich einiges ganz gut läuft. Der Bericht im New York Times Magazine im April 2023 über die Wohn- und Lebenssituation in Wien, wo wir es sogar auf die Titelseite schafften – keine Anzeige der Stadt Wien! – kam nicht von ungefähr zustande. Francesca Mari, Assistant professor of the practice at Brown University und Verfasserin des ausführlichen Beitrages, die ich damals in Alt-Erlaa begleiten durfte, bewies allein schon durch ihre Fragen, dass sie über die internationale Situation genau Bescheid wusste.

Planlos?



Kategorien:Politik, WAZ, Wien, Wohnpark Alt-Erlaa

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