Unmittelbar nach dem Ende des 1. Weltkriegs und gleichzeitig dem Ende der fast 1000-jährigen Monarchie begann in Wien eine nunmehr sozialdemokratisch geführte Stadtverwaltung auch mit einer Demokratisierung der Kunstinstallationen. Bereits 1918 startete man in einem Bereich, in dem man unmittelbar Gestaltungsmöglichkeiten hatte: innerhalb des kommunalen Wohnbaus begann man mit der künstlerischen Bauausstattung.
Kunst am Bau
Nach dem 2. Weltkrieg wurde ab 1948 die Einführung einer Regelung für die künstlerische Ausstattung von Neubauten diskutiert, ein kleiner Prozentsatz der Bausumme sollte für Kunst verwendet werden. Es entstand die so genannte „Kunst am Bau“. Nirgends sonst geht die Kunst so direkt auf die Menschen zu und erreicht damit einen hohen Grad an Verschränkung mit der Gesellschaft, und das jeden Tag und ganz ohne Besuch in einem Museum oder einer Ausstellung.
Kunstsammlung im Wohnpark Alt-Erlaa
Ganz in diesem Sinne entwickelte der Architekt Dr. Harry Glück das Konzept des Galerieraumes Eingangshallen. Die insgesamt 12 Eingangshallen im Wohnpark wurden als Begegnungsort für die „Kunst am Bau“ gewählt. Sie gehören zu den meistfrequentierten Verkehrsflächen und dienen dem Zugang zu den Aufzügen, zu den Post- und Fahrradabstellräumen sowie zur ersten Wohnungsebene. Die einander in Nord-Süd-Ausrichtung gegenüber liegenden zwei Stockwerke hohe Stirnseiten jeder Eingangshalle sind mit je einem großformatigen Gemälde ausgestattet. Jede Eingangshalle wurde von jeweils einem Künstler bzw. einer Künstlerin gestaltet, zeigt also jeweils zwei Werke.
Dr. Harry Glück ist es auch zu verdanken, dass im Block A vier der bedeutendsten realistischen Maler Nachkriegsösterreichs präsent sind: Georg Eisler, Adolf Frohner, Alfred Hrdlička und Fritz Martinz. Keiner von ihnen ist ein Schönfärber, keiner ein Dekorateur.
Bei der Auswahl der Bilder der Blöcke B und C hatten, ganz im Sinne einer Demokratisierung auch im Kulturbereich, die Bewohnerinnen und Bewohner ein Mitspracherecht. Dabei leistete die „Edition Alt-Erlaa“, eine Initiative der Wohnpark-Bewohner Günter Hörist und DI René Prassé, zwei A-Block-Mietern der ersten Stunde, einen entscheidenden Beitrag. Sie präsentierte in ihrer Galerie im Kaufpark Obergeschoß alle von der GESIBA bzw. durch eine Jury vorgeschlagenen KünstlerInnen, aus denen die BewohnerInnen von Block B und Block C je vier für ihren Bauteil wählen konnten; ja, die BewohnerInnen durften sogar unter den Entwürfen der gewählten KünstlerInnen nochmals definitiv über ihre zukünftigen Eingangshallenbilder abstimmen. Atelierbesuche und Einzelausstellungen der Wohnpark-Künstlerinnen in der Edition Alt-Erlaa brachten Kunst und BewohnerInnen einander näher. Die informativen Kurzeinführungen im Alt-Erlaa Journal zu Leben und Werk der im Laufe von 10 Jahren in der „Edition“ präsentierten KünstlerInnen boten dem Wohnparkpublikum einen generellen Einblick in die zeitgenössische bildende Kunst in Österreich. Nach der feierlichen „Eröffnung“ der C-Block-Bilder im Mai 1988 wurde es stiller um die „Edition“, die ihr materielles Ziel – Ausgestaltung der 1983 eingeweihten Wohnparkkirche – inzwischen bereits erreicht hatte und darüber hinaus auch als Kunstvermittlerin ihrem eigenen didaktischen Anspruch vollauf gerecht wurde.
So kamen bei der Auswahl der Bilder für die Blöcke B und C unterschiedliche Kunstrichtungen zum Zuge. Im Block B sind es Peter Atanasov, Wolfgang Hollegha, Peter Pongratz und Robert Zeppel-Sperl, im Block C Karl Korab, Linde Waber, Hans Staudacher und Franz Zadrazil. Für einige von ihnen war es eine einmalige Gelegenheit, Werke solcher Dimensionen zu schaffen.
Insgesamt wurde damit im Wohnpark eine großartige Sammlung herausragender österreichischer lebender Künstler und einer Künstlerin der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts geschaffen.
Kunst für alle – die neuen Galerien im 23. Bezirk
Die Gemälde sind für alle WohnparkbewohnerInnen frei zugänglich. Gelegentliche öffentliche Führungen durch die „Eingangshallengalerie Wohnpark Alt-Erlaa“ zogen in jüngerer Zeit aber auch interessiertes Publikum von außerhalb an, dabei erstreckte sich „außerhalb“ im Extremfall über Hamburg und Zürich bis nach New York! Vielleicht böte die einzigartige Gemäldesammlung des Wohnparks in Zukunft aber auch den passenden Rahmen für eine neue „Schule des Sehens“, ganz im Sinne des großen österreichischen Malers Oskar Kokoschka.
Kunst für alle muss aber auch frei zugänglich für alle sein. Dazu gibt es auch im 23. Bezirk nun zwei öffentliche Galerien: den KunstSalon 23 im Haus der Begegnung in Liesing, schon seit einigen Jahren überaus überzeugend programmiert, und neuerdings unsere wiedereröffnete Galerie im Kaufpark Alterlaa. Beide werden von den Leiterinnen der Volkshochschule Liesing Magª Caroline Eckhart und der Kleinen Galerie Magª Barbara Mithlinger gemeinsam geführt, für Professionalität ist also gesorgt.
Im KunstSalon 23 werden überwiegend Werke lebender Künstlerinnen und Künstler ausgestellt. Ich erinnere mich, nicht nur, aber besonders, an die Adolf Frohner-Schülerin Nina Maron, Tochter des leider viel zu früh verstorbenen Musikers Sigi Maron, und an den überaus beeindruckenden Wolfgang Horwath, der erst heuer präsent war. In diesem Zusammenhang sollte man sich auch gleich für den 3. März, 19 Uhr die nächste Vernissage vormerken: WIEN, Stadt der Frauen im KunstSalon 23. Für alle, die noch nie dabei waren: auch das musikalische Rahmenprogramm ist immer von außerordentlicher Qualität.
In der Kaufpark Galerie präsentieren wir zur Eröffnung Werke aus dem Nachlass von Fritz Martinz anlässlich seines 100. Geburtstages. Im Wohnpark besitzen wir im Block A Stiege 5/6 zwei seiner großartigen Pferdebilder. Fritz Martinz gehört zu den in der Öffentlichkeit weniger bekannten Malern, dabei holte Professor Gütersloh ihn bereits 1949 in die Vereinigung der Wiener Secession und 1950 erhielt er für seine Diplomarbeit den Staatspreis der Akademie, 1953 den Grafikpreis bei der Biennale del Mare, Rimini und viele Auszeichnungen mehr. Voriges Jahr gelang es seiner Tochter Dorothea Martinz gemeinsam mit Angelika Katzelberger eine Monografie mit Werkverzeichnis zu erstellen. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder und Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Kunsthistorikerin sowie Günther Holler-Schuster, Kunsthistoriker, Johanneum Graz lieferten dazu weitere Beiträge.

Die Kaufpark Galerie im Obergeschoss des Kaufparks Alterlaa ist jeweils Mittwoch und Freitag von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei und wer sich weiter über Fritz Martinz informieren möchte, wir haben noch einige Exemplare der Monografie vorrätig. Ich freue mich auf Ihren Besuch.
[Vorabdruck aus der
WAZ – Wohnpark Alterlaa Zeitung
Ausgabe Jänner/Februar 2025]
Kategorien:WAZ
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