Besucher in unserer neuen Galerie

Kürzlich kam am späteren Nachmittag eine Gruppe von Buben vorbei. Höchstwahrscheinlich waren sie im Kaufpark auf einer Erkundungstour ihrer weiteren Wohnumgebung, wie wir es in diesem Alter am Land auch machten. Vom Aussehen her Neoösterreicher der 2. Generation sprachen sie sehr bemüht ein korrektes Deutsch mit einer leicht südländischen Färbung. Wohl ihre erste Fremdsprache, die sie schon im Kindesalter erlernt hatten. Ob sie hereinkommen können, war die erste Frage. Ich sagte ihnen, dass der Eintritt frei sei und sie sich in Ruhe alle Bilder ansehen könnten.

Offensichtlich beeindruckt von der überwältigenden “Begegnung mit Rubens” war die zweite Frage, ob das Bild von Picasso sei. Etwas überrascht von der Vermutung, Picasso ist aber offensichtlich immer noch ein Synonym für große Kunst, erklärte ich ihnen, dass es von Fritz Martinz stamme, der auf dem Foto neben dem Gemälde zu sehen sei. Das müsste wohl eine Million kosten, vermutete einer der Buben. Um 18.000 sei es zu haben, erklärte ich ihm. Er war immer noch überwältigt von dem Gemälde – was ich auch verstehe. Schließlich habe ich jeden Mittwoch und jeden Freitag von 15 bis 18 Uhr Gelegenheit, die Bilder in Ruhe zu sehen und entdecke immer wieder Neues. Und vorbeikommende Besucher oder Besucherinnen stören mich eigentlich dabei nicht.

Bei jedem der weiteren Bilder kam auch die Frage nach dem Preis. Nachdem Kinder das nicht erfinden, müssen sie irgendwann den Eindruck bekommen haben, dass in unserer Gesellschaft nur der Preis etwas über den Wert einer Sache aussagt. Um den ideellen Wert kümmert man sich weniger, oder ist sich gar nicht bewusst, dass es so etwas auch noch gibt. Und doch war eindeutig zu erkennen, dass die Betrachtung der Bilder unabhängig vom Preis für die jugendlichen Besucher ein ganz großes Erlebnis war, was auch durch eine Folge weiterer Fragen erkennbar wurde.

Im Wohnpark sind wir in der privilegierten Situation zusätzlich elf der bedeutendsten österreichischen Maler unserer Zeit und die ganz große Linde Waber als Zwölfte in den Eingangshallen betrachten zu können, sind sozusagen in der Miete inbegriffen. Dabei wird und kann jeder seine persönlichen Vorlieben haben. Alle Realisten im A-Block gehören eindeutig zu meinen Favoriten. Karl Korab, Linde Waber, Franz Zadrazil und Hans Staudacher, alle im C-Block und so unterschiedlich, wie man sich nur vorstellen kann, sind aber nicht weniger interessant und laden immer wieder zu einer Auseinandersetzung mit ihren Aussagen ein. Es überrascht aber daher auch nicht, dass ich in diesen Tagen öfters bei Adolf Frohners “Gewalt und Gleichgültigkeit” (A 7/8) zum Nachdenken vorbeikomme. Die Ereignisse und Zustände, die wir jetzt erleben, wenn wir die Nachrichten nicht nur an uns vorbei rauschen lassen, können sonst schwer ertragen werden.

Adolf Frohner: Gewalt und Gleichgültigkeit – Wohnpark Alt-Erlaa Block A Stiege 7/8



Kategorien:Bildung, Integration, Kultur, WAZ, Wohnpark Alt-Erlaa

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