Schöne neue Welt

Am 29. Oktober 2018 stürzte 13 Minuten nach dem Start eine Boeing 737 MAX in die Javasee. 189 Menschen, alle Passagiere und die gesamte Besatzung, kamen dabei um. Das Flugzeug war brandneu. Es war zwei Monaten davor geliefert worden.

Am 10. März 2019 stürzte 6 Minuten nach dem Start eine Boeing 737 MAX auf einem Flug von Addis Abeba nach Nairobi ab. Alle 149 Passagiere, darunter 3 Ärzte aus Österreich, und alle 8 Crewmitglieder starben. Das Flugzeug war seit vier Monaten im Einsatz.

Im Zuge der Unfalluntersuchungen wurde bekannt, dass dem Flugzeughersteller bekannt war, dass Teile der Steuerungssoftware fehlerhaft sind. Entschuldigend wurde darauf hingewiesen, dass man ja eine kostenpflichtige Zusatzsoftware zur Behebung der bekannten Mängel anbot, diese jedoch, wahrscheinlich aus Kostengründen, nicht von allen Fluglinien gekauft wurde.

Im Klartext: Man produziert Mist. Um einen einigermaßen sicheren Flugbetrieb zu ermöglichen, verlangt man vom Kunden extra Geld. Die Kunden andererseits wissen also, was sie sich einhandeln und einige – wie viele ist noch immer unbekannt – entscheiden sich dann für die billigere Variante. Ich möchte nicht beurteilen, wer da mehr Schuld auf sich geladen hat. Fest steht, dass bisher noch keiner hinter Gittern gelandet ist. Alle laufen frei herum!

Die amerikanische Luftfahrtbehörde benötigte extra lang bis sie sich zu einem Startverbot aufraffen konnte. Und trotzdem kam wenige Tage danach eine Meldung, dass schon wieder eine Boeing 737 MAX in den U.S.A. wegen Problemen notlanden musste! Beruhigend teilte die Fluglinie mit, dass es sich „nur“ um eine Überstellungsflug gehandelt habe. Es seien keine Passagiere an Bord gewesen. Menschenleben, gleichgültig ob von Passagieren oder Besatzung, haben wohl keinen Wert mehr, scheinen jedenfalls nicht in der Buchhaltung auf.

Als ich 1958 bei der österreichischen Flugsicherung zu arbeiten begann, erklärte man mir als erstes die Prioritäten für all unsere Tätigkeiten. Die Reihenfolge sei Sicherheit, Regelmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Und zwar genau in dieser Reihenfolge! Da scheint sich in der kommerziellen Luftfahrt einiges geändert zu haben. Heute heißt es wohl: Profit, Profit, Profit. Ist einfacher zu merken und spielt auch keine Rolle, wenn man die Reihenfolge nicht so genau einhält. Wir sind eben endlich im realen Kapitalismus angekommen, dessen kannibalistische Züge immer klarer ersichtlich werden.

Für die Angehörigen all der verunglückten Menschen ist es wenig trostspendend, wenn man ihnen erklärt, dass Fliegen noch immer zu den sichersten Fortbewegungsarten zählt. Die Überlebenden aber sollten daran denken, dass alles seinen Preis hat. Wer um € 17,99 zum Fußballspiel nach Barcelona fliegen will, oder sonst glaubt ein „Schnäppchen“ erhascht zu haben, sollte wissen worauf er sich einlässt. Es wird nicht nur bei den Drinks gespart!

Die drei österreichischen Ärzte hatten keine Chance: sie waren zu einem freiwilligen Hilfseinsatz unterwegs. Die Erde sei ihnen leicht.

Vorabdruck aus der WAZ – Wohnpark Alterlaa Zeitung, Ausgabe 05/2019



Kategorien:International, Politik, WAZ, Wirtschaft

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